Heft 3 - Editorial

 

Liebe Leserinnen, liebe Leser!

 

im Ihnen vorliegenden Heft des „Bibliotheksforum Bayern“ sind mir zwei Beiträge sofort ins Auge gefallen, da sie sehr grundsätzliche, wenn man will „strategierelevante“ Überlegungen anstellen zu dem, was Bibliotheken sein sollen, können oder gar müssen, wenn sie eine Zukunft haben wollen.

 

Da ist zum einen der Artikel „WEITER WISSEN. Mit uns“, der über die dbv­-Kampagne zu Profilen und Arbeitsfeldern wissenschaftlicher Bibliotheken berichtet. Hier stehen erwartbar Themen wie Open Access, Forschungsdatenmanagement, Langzeitarchivierung, die Kuratierung und Vermittlung schriftlichen Kulturerbes sowie Fachinformationsdienste, Plattformen und Portale für Forschung und Studium im Zentrum.

 

Da ist zum anderen ein Interview mit der Preisträgerin der Karl­-Preusker-­Medaille, Anke Buettner und ihrer Laudatorin, in dem die „Bibliothek als Haus der Neugier“ profiliert wird. Die Bibliothek ist hier „der schönste Anlass, offenes Denken zu üben und Ambiguität als Ressource zu nutzen“. Und es heißt: „Für mich sind öffentliche Bibliotheken die spannendste Institution für unsere Gesellschaft. … Sie sind die Stadt.“

 

Das ist ein starker, ja maximalistischer Anspruch, der zwar begeistern kann, aber auch den leisen Zweifel weckt: wird hier die Bibliothek nicht zu einer Art Verfügungsgebäude, in dem jede und jeder einen weit­ hin unbestimmten Raum seiner Selbstwirksamkeit finden mag? Und mutieren nicht die dort Beschäftigten zu einer Mischung aus Hausverwalter, Sozialarbeiter, Enabler und Eventmanager? Und schließlich: Gibt es nicht andere Institutionen, die das genauso gut oder gar besser können?

 

Auch der Blick auf das im März diesen Jahres vom dbv veranstaltete Symposium zu Gemeinsamkeiten und Unterschieden von Wissenschaftlichen und Öffentlichen Bibliotheken hilft hier nicht wirklich weiter. In den aus den Beiträgen aller Teilnehmenden extrahierten Thesen finden sich ebenfalls neben vertrauten Positionierungen („Der gemeinsame Markenkern von ÖB und WB: Bibliotheken sind Orte der Information, des Wissens, der Bildung und Kultur“) erneut eher herausfordernde Statements: „Bibliotheken sind Community­ Hubs. Community Building ist daher Auftrag und zugleich zeitgemäßer Marken­kern aller Bibliotheken.“

 

Aber ist womöglich die Suche nach einem gemein­samen „Markenkern“, auf den sich alle Bibliothekarinnen und Bibliothekare einigen könnten, nicht nur aussichtslos, sondern auch überflüssig?

 

Am ehesten noch lässt sich die fast beängstigende Vielfalt und Heterogenität unserer Selbstverständnisse vielleicht unter dem Bild eines „Schiebereglers“ fassen: je weiter ich diesen von der „Bereitstellung und Nutzung von Informationsressourcen“ weg und zum potenziellen „Impact“ dieser Nutzung (Begegnung, Partizipation, Diskursfähigkeit, Ambiguitätstoleranz etc. etc.) hin bewege, desto mehr verundeutliche (oder: modernisiere) ich den Markenkern der Bibliothek und positioniere sie zunehmend ununterscheidbar (oder: endlich auf Augenhöhe) mit allen möglichen Einrichtungen der Kultur, Bildung und öffentlichen Wohlfahrt. Und am Ende muss jede Bibliothek eben für sich entscheiden, wie sie diesen Schieberegler einstellt.

 

Um die Zukunft der Bibliothek braucht einem dabei aber nicht bange zu sein, denn wie der Creative Director von Montblanc, Marco Tomasetta, so schön schreibt: „Bibliotheken sind faszinierende Fenster in die Seele einer Stadt, eines Landes und einer Kultur. Sie sind Orte der Erleuchtung, der Inspiration und des Schaffens – Orte, an denen Geschichten und Ideen gehütet werden, sodass sie entdeckt oder wiederentdeckt werden können.“

 

Mehr geht nicht!

 

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine anregende und spannende Lektüre unseres „Bibliotheksforum Bayern“!

 

Ihr Klaus Ceynowa

 

Generaldirektor der Bayerischen Staatsbibliothek